Stadtpark-Song

Als ich 15 Jahre war, da sprach meine Mama zu mir: Kleiner, süßer Peter
Du sitzt den ganzen Tag nur in der Stube, gehst nicht vor dir Tür, denk mal an später
Schau deine Freunde sitzen schon Händchen haltend auf ner Bank und nicht wie du hinterm Buch, du
Da wird mir angst und bang, ich will doch auch mal Enkel habn, pass auf, wie wärīs mit dem Versuch:

Mach nen Schlenker durch den Stadtpark, dort ist es schön
Bei einem Schlenker durch den Stadtpark, da kannst du deine Zukünftige sehn
Zwischen Büschen unter Bäumen, da kann so viel geschehn
Das willst du doch nicht versäumen, also Kopf hoch, du solltest es probiern

Das war die Muttertagsvariante von dem Lied. Zugetragen hatte es sich damals
zwischen mir und meiner Mama leider etwas anders

Als ich 15 Jahre war, da sprach meine Mama zu mir: Peter Primmich

Meine Mutter nannte mich im zarten Alter von 15 Jahren schon bei meinem
Vor- undZunamen. So war es schlechterdings unmöglich mir mütterliche Gefühle
wie Zuneigung, Wärme, Geborgenheit zu vermitteln.

Als ich 15 Jahre war, da sprach meine Mama zu mir: Peter Primmich
Du hockst den ganzen Tach nur in der Stube, gehst nicht vor die Tür, das macht mich grimmig
Deine Freunde sitzen schon Händchen haltend mit den Miezen auf ner Parkbank
Und nicht wie du hinterm Buch

Damit hatte meine Mutter Recht, ich hatte tatsächlich immer ein Buch bei mir
auf dem Bett herumliegen, Erich Kästner, das doppelte Lottchen und so weiter,
und ich las auch hin und wieder darin, eigentlich war das aber nur Tarnung.
Denn unter dem Kopfkissen lag immer ein Otto-Katalog versteckt, den ich vor
der Vernichtung in irgendeiner Altpapierwiederverwertungsanlage gerettet hatte.
Ich liebte es in meinen einsamen Stunden im Otto-Katalog herumzublättern.
All die vielen lächelnden gut gekleideten Menschen. Und besonders hatten
es mir die Seiten mit der Herrenunterbekleidung angetan.

Als ich 15 Jahre war, da sprach meine Mama zu mir: Peter Primmich
Du hockst den ganzen Tach nur in der Stube, gehst nicht vor die Tür, das macht mich grimmig
Deine Freunde sitzen schon Händchen haltend mit den Miezen auf ner Parkbank
Und nicht wie du hinterm Buch
Ich zieh dir gleich die Ohren lang, geh raus, komm vor acht nicht nachhaus
ich kriege nämlich noch Besuch

Mit jedem Wort wurde ihre Stimme weicher, der schrille Ton wich einem immer
sanfteren Timbre, je näher der Nachmittag rückte. Es war Donnerstag und mein
Vater hatte Spätschicht. Und an jedem Donnerstag, wenn mein Vater Spätschicht
hatte, kam nachmittags um drei der Versicherungsvertreter vorbei und blieb bis
kurz vor Tagesschau. Ich weiß nicht, was er so lange mit meiner Mutter zu
besprechen hatte. Ich wusste nur, dass ich störte. Meine Mutter zog noch einmal
ihren Lippenstift nach, rubinrot, passend zu ihren Fuß- und Fingernägeln, ging
noch einmal ordnend durch ihre Frisur. Und als sie mich noch immer wie
paralysiert auf meinem Bett sitzen sah, holte sie tief Luft und machte mir folgenden Vorschlag:

Mach nen Schlenker durch den Stadtpark, dort ist es schön
Bei einem Schlenker durch den Stadtpark, da kannst du deine Zukünftige sehn
Zwischen Büschen unter Bäumen, da kann so viel geschehn
Du kannst zumindest davon träumen, hau jetzt ab, bevor ich die Geduld verlier

Ich bin dann auch in den Stadtpark gegangen. Ich habe meinen Erich Kästrner
mitgenommen, aberich kam nicht dazu, ihn zu lesen. Denn an diesem Tag habe
ich im Stadtpark Erfahrungen gemacht, die waren so ... die waren von so
unbeschreiblich ... also die haben mich dermaßen ... ich weiß nicht,
ob das meine Mutter meinte, als sie mich dorthin geschickt hat. Seitdem bin ich jedenfalls oft in den
Stadtpark gegangen. Und wenn heute jemand zu mir sagt, dass er den ganzen Tag nur zuhause in der
Stube sitzt und die Otto-Kataloge der letzten Jahrzehnte durchblättert, dann mache ich ihm
folgenden Vorschlag

Mach nen Schlenker durch den Stadtpark, dort ist es schön
Bei einem Schlenker durch den Stadtpark, da kannst du viele bunte Menschen sehn
Zwischen Büschen unter Bäumen, da kann so viel geschehn
Die Luft riecht gut und du kannst träumen, das solltest du einmal probiern.

Mach nen Schlenker durch den Stadtpark, dort ist es schön
Bei einem Schlenker durch den Stadtpark, da kannst du viele bunte Menschen sehn
Zwischen Büschen unter Bäumen, da kann so viel geschehn
Die Luft riecht gut und du kannst träumen, das solltest du einmal probiern.

Zwischen Büschen unter Bäumen, da regt sich Leib und Sinn
Das will ich nie mehr versäumen, drum geh ich immer wieder hin

Text: Peter Primmich