Kontaktanzeige
Was für ein trüber Sonntagmorgen
Komm gerade aus der Sub zurück
Habe zwar einen Typen angebaggert
Doch hatte ich leider heute kein Glück
Ich nehme die Stadtteilzeitung
Les die Kontaktanzeigen
M, Anfang 20, hemmungslos
Ich such ihn nicht nur für eine Nacht
Zum Kuscheln und Träumen mit Niveau
Tunten und Szenegänger zwecklos
Das ist genau, wonach ich lange schon gesucht habe
In der Annonce steckt was drin
Warum es nicht mal mit einem echten Freund versuchen
Damit ich nie mehr einsam bin
Wird das echte Liebe, wird das die große Liebe, wird das die wahre Liebe sein
Mit M, Anfang 20, hemmungslos ...
Ich sitze vor dem leeren Briefpapier und frag mich
Wonach steht ihm denn wohl der Sinn
Vielleicht sollte ich mich nicht so ganz genau beschreiben
Weil ich ja Brillenträger bin
Er soll mich einfach mögen, er soll mich wirklich mögen, er soll mich mögen, wie ich bin
Wenn aber einer, den ich schon sehr lange kenne
Hinter der Annonce steckt
Mensch, wäre das peinlich, wenn der meinen Brief bekäme
Der Skandal wäre dann perfekt
Er würde es weitertratschen, dann würden alle tratschen, dann tratschten alle über mich
Der blöde Gerd sucht doch andauernd einen Lover
Und ist schon lange auf mich scharf
Oder der Manfred, den ich aus der Sauna kenne
Nein, danke, wirklich kein Bedarf
Wenn es nun der Udo wäre oder der dicke Wolfgang, Hans, Martin, Thomas oder Jörg
Ich leg frustriert den Stift beiseite
Aus dieser Liebe wird nichts mehr
Es wäre fast zu schön gewesen
Wenn da nicht doch ein Haken wäre
Ich leg mich einsam schlafen
Und träum von meinem Prinzen
Dem M, Anfang zwanzig, hemmungslos ...
Prinz, Ende zwanzig, arbeitslos
Ich such dich in einer dunklen Nacht
Zum Zicken und Tratschen auf dem Klo
Macker und Fußballspieler zwecklos
SM, Mitte vierzig, nicht sehr groß
Er sucht ihn auch nur für eine Nacht
Zum Wischen und Putzen sowieso
Tulpen und Baseballschläger, Weckglas
Text: Arndt Rieckamnn/Friede von Henkell